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Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten

Politischer Bezirk St. Veit an der Glan

645 Eberstein, Schloss 1618

Epitaph aus weißem Marmor des Leonhard (und Balthasar) Christallnigg im Schlosshof unter den Südarkaden, an der Außenwand der profanierten Schlosskapelle und ehemaligen Pfarrkirche St. Georg. Das Grabdenkmal zeigt einen dreiteiligen Aufbau, wobei das Mittelbild und das obere Schriftfeld aus einem Block gestaltet sind, die unten beigefügte Schrifttafel aus einem anderen, helleren Marmor gefertigt ist und auch in der Ornamentik der Umrahmung sowie der Beschriftung sich deutlich von den Schriften der anderen Felder unterscheidet. Sehr wahrscheinlich ist diese untere Schrifttafel, die eine fünfzeilige Is. (I) enthält, erst später entstanden und dem älteren und eigentlichen Epitaph nachträglich beigefügt worden, da die originale Schrifttafel verloren oder kaputt gegangen ist. Dafür spricht auch, dass sich in dieser Grabschrift weder ein Name noch eine Datierung findet, sie somit „zeitlos“ erscheint. Für diese Annahme spricht noch ein weiterer Grund, wie unten noch ausgeführt wird. Das quadratische Mittelfeld ist ganz in der Manier der Epitaphik des 16. Jahrhunderts gebildet: ein Kruzifix teilt das Bildfeld in zwei Flächen, auf der linken Seite kniet der Stifter des Grabdenkmals betend, hinter sich vier Söhne. Über der männlichen Beterreihe sind Namens-Iss. eingemeißelt, beim Mann findet sich eine dreizeilige Is. (II/1a), die über seinem bärtigen Haupt beginnt und sich rechts davon zwischen Kopf und Kreuzschaft fortsetzt; gerahmte Schriftbänder kennzeichnen die Knaben (II/1b-e), über deren Köpfen ein Kreuzzeichen angebracht ist, als Hinweis, dass sie zu dem Zeitpunkt der Fertigstellung des Epitaphs vermutlich bereits verstorben waren. Über der Figurengruppe ist ein hochovales Ornamentband mit Rollwerkapplikationen eingefügt, darin ist das erhaben gearbeitete W. der Christallnigg, mit Helmzier und Helmdecken. Das Bild wiederholt sich gleichermaßen auf der rechten Seite mit der weiblichen Beterreihe, voran drei Töchter, dahinter die Mutter und Ehefrau, ebenfalls betend. Auch hier sind Namens-Iss. angebracht, so bei der Ehefrau eine vierzeilige Is. (II/1f ), die über dem Kopf beginnt und rechts dreizeilig weitergeführt wird. Über den Köpfen der drei Töchter, bei den beiden älteren Mädchen ist ein Kreuzzeichen als Hinweis auf den bereits eingetretenen Tod angebracht, wieder einfach gerahmte Schriftbänder mit den Namens-Iss. (II/1- g–i). Auch hier ist über der Figurengruppe in einer hochovalen Rollwerkrahmung das Relief-W. mit Helmzier und Helmdecken der Familie Zenegg eingefügt. Eine spätere Bearbeitung des Mittelbildes zeigt sich durch das Anbringen von Zweitinschriften über der Gruppe der betenden Familie: Hier ist von anderer Hand über die früheren Iss. (II/1) eine zweite, anders lautende Beschriftung übermeißelt worden (II/2a–h), die neben der inhaltlichen Mitteilung auch mögliche andere Aspekte aufwirft. Da auch hier wieder alle Personen bezeichnet sind, auch die Kinder, ist es durchaus möglich, dass sich die Kreuzzeichen auf die zweite Bearbeitung und damit auch auf die zweite Familie beziehen können. Wahrscheinlich ist es demnach auch, dass die eigentliche Stifterinschrift (I) mit dieser Nachbeschriftung des Epitaphs zu tun hat und daher später zu datieren ist. Über dem Gekreuzigten ist eine weiter Is. (III) angebracht, die Datierung des Grabdenkmals findet sich auf der oberen Rahmenleiste des Mittelbildes (IV). Ganz der Zeit des Manierismus entspricht die Schrifttafel darüber mit der schönen Rollwerkrahmung, sie überliefert eine sechszeilige Is. (V).

H. 180 cm, B. 114 cm, Bu. I. 3,8 (4,8) cm, IIa. 2,4 (3,6) cm, IIb. 2,5 (3,2) cm, III. 1,7 cm, IV. 2,4 cm, V. 3,5 (4,5) cm. – Kapitalis.


Textedition
			

I. DISSESa) EPPITHAFFIVM HAB ICH / MIER MEINER LIEBEN HAVSFRA͜VN / VND VNSER BÄDER ELLICH ERZEVG/TE KHINDERN, ZV EWIGER GEDACH͜T/N͜VS A͜VFRICHTEN V͜ND M͜ACH͜EN LASSEN II/1a. · H(ERR)a) · LEON͜HARTa) / CH͜RIS/T͜ALNIG(G)b) II/1b. CH͜RISTO(PH) II/1c. HANS II/1d. BA͜LTASA͜R II/1e. DAVID II/1f. CAT͜ARINAa) / CH͜RIST͜A/LNIGG/IN · G(EBORNE) Z(ENEGGIN) II/1g. V͜RSVLA II/1h. CATHA͜RINA II/1i. MARIA II/2a. BALTASARa) · CRISTALNIGa) II/2b. BALTASAR II/2c. DANIEL II/2d. ANDREAS II/2e. MARIA . CRISTALNIGIN . GEBO(R)NE . ZENEGIN II/2f. V͜RSVLA II/2g. IVDIT II/2h. M(ARIA)c) III. INRI IV. . 16 18 .d) V. PS(ALM) 73. HERR WAN ICH NV͜R DICH HAB SO FRAG / ICH NICHTS NACH HIMM͜EL VN͜D ERD͜EN WAN MIR / GLEICH LEIB VN͜D SEEL V͜ERSCHMACHTET SO BIST / DOCH DV GOTT M͜EINES H͜ERZEN TROST VN͜D MEIN TEIL ·/ ES(AI)A · 26 · GEH HIN MEIN VOLCK · IN AEIN͜E KAMMER / VND SCHLEVS DIE THVR NACH DIR ZVe) ·

Anmerkungen
a) vergrößerter Anfangsbuchstabe.
b) dreieckförmige Zierpunkte.
c) Vermutlich so zu ergänzen.
d) dreieckförmige Zierpunkte.
e) fast bei jedem Wort (außer LEIB VND, DV, HIN, DIE, DIR) ein größerer Anfangsbuchstabe.

Ps 73,25f.; Jes 26,201).


Wappen: Christallnigg2), Zenegg3).


Kommentar

Erzherzog Karl II. von Österreich hat am 6. August 1589 die Brüder Balthasar, David und Christoph Christallnigg „zu erblichen Lehens- und Wappengenossen“4) ernannt, verbunden mit einer Besserung des Wappens. Balthasar und Christoph wanderten als Exulanten aus Kärnten aus5), hier verblieb nur David, der 1605 das Gut Gillitzstein gekauft hatte und dessen Sohn Leonhard von ihm die Güter in Kärnten geerbt hat. Er war mit Katharina Zenegg, der einzigen Tochter des St. Veiter Handelsherrn und Gewerken zu Hüttenberg, Hans II. Zenegg, verheiratet6). Leonhard Christalnigg war St. Veiter Ratsbürger und ein vermögender Handelsherr zu St. Veit, aber auch als Gewerke zu Hüttenberg und Lölling tätig. Leonhard soll 1605 gestorben sein, anderen Angaben zufolge 16217). Denn nach dessen Tod 1621 heiratete seine Frau in zweiter Ehe am 8. Dezember 1622 den Malborgheter Gewerken Wolfgang Paul von Nagerschigg d. J., Sohn des Georg Paul von Nagerschigg und der Barbara Kurzleben zu Meiselsdorf, und soll wieder zum katholischen Glauben konvertiert haben8). Von den Kindern des Leonhard Christallnigg haben (Georg) David, Hans und (Georg) Christoph (nur Balthasar dürfte früher gestorben sein!) 1628 den Reichs- und erbländischen rittermäßigen Adel9) verliehen bekommen, mit dem Prädikat „von und zu Gillitzstein“, der Rotwachsfreiheit und einer Wappenbesserung. David Christallnigg d. J. hat 1630 das Schloss Eberstein von den Welzern gekauft und es verblieb bis 1935 in der seit 1721 gräflichen Familie Christallnigg10). Sein Onkel Balthasar Christallnigg, Eisenhandelsherr zu St. Veit und Gewerke in Hüttenberg war mit Maria Zenegg verheiratet, nach dem Epitaph hatten sie drei Söhne, nämlich Balthasar, Daniel und Andreas, sie müssen aber schon früh gestorben sein. Das Kreuzzeichen über den Kindern wird sich daher wohl auf die Nachkommen des Balthasar Christallnigg beziehen. Schon 1604 sind Balthasar Christallnigg und seine Frau Maria als Protestanten nach Weißenburg in Bayern ausgewandert. Hier ist Balthasar am 23. Feber 1608, Maria am 30. Juli 1610 gestorben11). Maria hat ihren Nachlaß ihrer Schwester Ursula Stannacher, geborene Zenegg, und ihre Nichte Katharina, die mit Leonhard Christalnigg verheiratet war, vermacht.

Der Text der Hauptbeschriftung des Epitaphs ist so allgemein gehalten, dass man eigentlich nicht sagen kann, wer der Auftraggeber war. Auffallende Unterschiede bei Material und Beschriftung lassen auch erkennen, dass es sich hier nicht um ein Werkstück handelt, welches zeitgleich mit dem „eigentlichen“ Epitaphium entstanden sein dürfte. Da die Is. II/1 wohl die ursprüngliche, erste Beschriftung war, wird am Epitaph Leonhard Christallnigg mit seiner Frau Katharina Zenegg und ihren gemeinsamen Kindern dargestellt sein12). Balthasar ist bereits 1604 mit Frau und den noch lebenden Kindern ausgewandert und schon 1608 gestorben, daher kann die Zweitbeschriftung des Bildfeldes (IIb) nur vom Neffen Leonhard selbst oder seinen Söhnen David, Hans und Christoph beigefügt worden sein. Dafür spricht auch die Anbringung der Datierung auf der oberen Rahmenleiste des Bildfeldes (IV), die hier ungewöhnlich ist und ebenfalls erst später beigefügt worden sein kann. Damit würde auch die Fertigung der Hauptinschrift mit dieser allgemein gehaltenen Formulierung zu diesem Zeitpunkt anzusetzen sein, nämlich 1618, wohingegen das „eigentliche Epitaph“ wohl früher und von anderer Hand gefertigt wurde. Ursprünglicher Standort dieses Epitaphs war die Stpfk. St. Vitus u. Hl. Dreifaltigkeit in St. Veit a. d. Glan13).

1) Die beiden Texte entsprechen wortgleich dem Text in der „Biblia. Das ist, Die gantze heilige Schrift, Auffs new zugericht. (Durch) Mart(in) Luther. Nürmberg (sic!) 1583“.
2) Kä 24, Taf. 3.
3) Kä 224f., Taf. 29.
4) Kä 24. – Pantz, Gewerken 24.
5) Dedic, Kärntner Exulanten 1948, 128f: hier ist als Sterbedatum der 13. II. 1607 vermerkt.
6) KLA, Hs. Zenegg, Geschichte der Familie p. 225. – Er war der Sohn des David Christalnigg und der Maria Kulmer. – Pantz, Gewerken 23.
7) Kä 24. – KLA, Hs. Zenegg, Geschichte der Familie p. 225.
8) Metnitz, Dr. Paul Dedic 486.
9) Frank, Standeserhebungen Bd. 1 177.
10) Henckel, Burgen Bd. 2 33.
11) KLA, Hs. Zenegg, Geschichte der Familie p. 126. – Wießner, Geschichte 3. Teil 107f.
12) Henckel, Burgen Bd. 2 32 verwechselt als Stifter des Epitaphs den Balthasar mit dem Leonhard, was durch die Wappengleichheit der Ehefrauen teilweise verständlich erscheint.
13) KLA, Hs. GV 10/53, 144: Hier steht Ist ein Christalnig(scher) Leichenstein am neuen Gottesaker, der halb verschüttet und verwachsen nur an den dortigen der vor dem Kruzifix knienden Figuren kennbar ist.
Literatur

KLA, Hs. GV 10/53, 144. – Ginhart, Kunstdenkmäler St. Veit 90. – Zenegg-Scharffenstein, Urtl 21. – Henckel, Burgen Bd. 2 32. – Hartwagner, Kärnten 42 (figuraler Grabstein von 1594–1618, es handelt sich aber um zwei Denkmäler!). – Kienzl/Deuer, Renaissance 40. – Dehio Kärnten 2001, 99.



Friedrich Wilhelm Leitner

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan, ges. u. bearb. v. Friedrich Wilhelm Leitner
(Die Deutschen Inschriften 65. Band, Wiener Reihe 2. Band, Teil 2) Wien 2008, Kat. Nr. 645,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/kaernten-2/teil4/kaernten-2-obj645.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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Abbildungen

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Abb. 238: Epitaph Leonhard
Christallnigg und Familie (1618)
©  Landesmuseum Kärnten (Friedrich W. Leitner)