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Wiener Neustadt
Größte Stadt (2001: 37.626 Einwohner) des Industrieviertels und nach St. Pölten zweitgrößte Stadt Niederösterreichs am Südrand des Wiener Beckens. Ihre Geschichte ist durch stark wechselnde Bedeutung geprägt. Die Erwähnung als Nova Civitas 1194 (der Name Wienerische Neustadt taucht erstmals 1358 auf) beruht auf einem Ausbau des Ortes, der nicht zuletzt durch das Lösegeld, das der Babenberger Leopold V. für Kg. Richard Löwenherz erhielt, ermöglicht wurde. Die baldige Verleihung von Privilegien wie auch die frühe Niederlassung von Dominikanern (1227) sind Zeichen für einen raschen wirtschaftlichen Aufstieg der Grenzfestung gegen Ungarn. 1227 und 1240 hielt sich Ulrich von Liechtenstein in der Stadt auf. Im 15. Jh. hielt hier K. Friedrich III. zeitweise Hof, einen weiteren Aufschwung nahm die Stadt durch die Gründung der Militärakademie 1752, der wachsenden Bedeutung als Industriestadt im 19. Jh. folgte in jüngerer Zeit schließlich die Funktion als Schulzentrum.

Eine besondere kulturelle Bedeutung erlangte Wr. N. erstmals durch die Hofhaltung Friedrichs III. (neben Graz), die einen Ausbau der Stadt nach sich zog, eine Verdoppelung der Ordensniederlassungen bewirkte und nicht zuletzt auch Künstler und Musiker anzog. Seit 1443 war der Humanist Aeneas Silvius Piccolomini Sekretär der Hofkanzlei und auch J. Hinderbach war am Hof Friedrichs anzutreffen. Der kunstsinnige Nachfolger Friedrichs, K. Maximilian I., hat seine Jugendjahre überwiegend hier verbracht. 1460 wurde die neue Burgkapelle (heutige St. Georgs-Kathedrale, seit 1967 Basilika minor, seit 1987 Sitz der österreichischen Militärdiözese) fertig gestellt, an der um 1465 Anton Kcharfrey als Organist und Kantor wirkte. Weitere namentlich bekannte Organisten waren hier um 1467–1516 Gregor Valentinus und um 1478 Ludwig Waldegker. 1500 errichtete W. Reichenauer eine neue Orgel in der St. Georgs-Kapelle. Aus der Zeit zwischen 1466/70 sind elf „Cantoresen“ bzw. „kaiserliche Khorsänger“ an der „Newkirchen auf dem tor in der burgk“ namentlich bekannt (u. a. Niklas Mynol [Mayoul]). Die Expansionsbemühungen der Hofmusikkapelle wurden allerdings durch politische Bedrohungen – 1487–90 lag die Stadt sogar unter ungarischer Besatzung – unterbunden. Neben den Kirchensängern (für 1497 ist noch Bartholomäus Freiberger namentlich genannt) hielten sich jedoch auch kaiserliche Trompeter, Pauker, Posaunisten und Pfeifer in Wr. N. auf, einigen von ihnen schenkte der Kaiser sogar ein Haus in der Stadt (so z. B. 1492 dem Posaunisten Thomas Götz). Rund 100 Jahre später residierte Erzhzg. Maximilian III. zeitweise in der Stadt, sein Hofkapellmeister Aegidius Bassenge starb 1595 in Wr. N. 1542 wird mit Paul Hartmann erstmals ein Thurnermeister namentlich genannt, für den eine auch instrumentale Verpflichtungen enthaltende Instruktion seitens des Stadtrates erlassen wurde. Um 1650 widmeten A. Rauch und P. Udalrici dem Stadtrat bzw. der Liebfrauenkirche geistliche Kompositionen.

Die kirchenmusikalischen Dienste in der Liebfrauenkirche (1207 Pfarre, 1279 geweiht, 1469–1785 Bischofssitz [seither Propstei], seit 1990 Titularbistum) versah zunächst wie üblich der Schulmeister, bereits 1232 wird ein „Godofridus scholasticus“ genannt. Eine Orgel befand sich in der Liebfrauenkirche bereits vor 1450, 1415 ist ein Orgelmeister namens Friedrich überliefert. 1455 ließ K. Friedrich III. durch W. Rudorfer, den damaligen Orgelmeister an der Liebfrauenkirche, ein neues Hornwerk in deren Turm einbauen. 1572 existierten bereits zwei Orgeln in der Kirche, als Organist (und Orgelmacher) fungierte Ruprecht Steuber, der 1586 an die evangelische Stiftsschule nach Graz übersiedelte. 1579 ist anlässlich der Erneuerung der Orgel durch Hans Eisenberger deren Disposition überliefert (II/15 neben einem Tremulanten und einem Vogelgesang-Zug). 1583 wird den Domchoralisten seitens des Stadtrates das alleinige Recht auf das Sternsingen zugestanden. Um 1587/90 war Mathias Guldner Stadtorganist und Orgelbauer, 1629 arbeitete J. Wöckherl an beiden Orgeln der Liebfrauenkirche. 1745–47 errichtete J. M. Blaschewitz († 15.1.1750 Wr. N.) eine neue Orgel (II/16 oder II/18).

Um 1700 versahen sechs Sänger, drei Diskantisten sowie der Kantor, Organist und Thurnermeister die Kirchenmusik an der Domkirche. Aus der Reihe der Kantoren dürfte der 1663–1717 amtierende C. N. Mansfeld hervorzuheben sein. Ihm folgten Josef Lutz (1717–37), Lorenz Haunolt (1737–1805?), An. Herzog (1806–45), L. Plaimschauer (1845–64, zuvor bereits in der Nachfolge Alexander Purkhardshofers Organist) und A. Huebmer (1864–91), als Komponist war auch der 1891–99 als Regens chori wirkende Josef Strauß (1841–1916) tätig. 1899–1915 war Mauritius Kern († 1950) Chordirektor, ihm folgte R. Rudolz (bis 1956), der 1917 den Wr. N.er Kirchenmusikverein gründete. 1898 ersetzte die Firma Mauracher beide Orgeln des Domes durch Neubauten (II/38 bzw. II/9, pneumatisch), die 1971 durch Dreher & Reinisch (M. Dreher, F. Reinisch [III]) generalüberholt wurden. 1989 erfolgte die Weihe der von Ge. Hradetzky neu errichteten Domorgel (III/41, mechanisch). Nach R. Rudolz leiteten Franz Fischer (1956), Karl Hofer (1956–59), Fritz Heindl (1959/60), Erich Prandler (1960–65; 1939–71 Domorganist), Josef Bara (1966), Johann Hittinger (1966–71), Otto J. M. Schmid (1972/73), G. Lagrange (1974), Wa. Sengstschmid (1973/74 und 1974–80), J. Döller (1981–84) und A. Mülleder (1985–99) die Kirchenmusik am Dom. Seit 1999 ist (2006) H. Gasser Domkapellmeister und -organist.

Blühend präsentierte sich auch das musikalische Leben im 1444 gegründeten Zisterzienserstift zur Heiligsten Dreifaltigkeit, dem sog. Neukloster (seit 1881 mit dem Stift Heiligenkreuz vereinigt). Das Kloster profitierte hierbei von einer Reihe musikalischer Äbte. 1537 wurde ein „Organum chorale“ (I/10) von einem anonymen Orgelbauer errichtet, um 1560 sind ein Organist und ein Schulmeister nachweisbar. Größere Orgelrenovierungen und -adaptierungen sind für die Zeit um 1622/40 und 1736/37 (II/19, J. M. Blaschewitz) nachweisbar, weiters auch für 1835 (durch St. Hechinger), 1850 und 1926. 1929/30 erweiterte die Firma Dreher das Werk (III/40, elektropneumatisch), 1970 arbeitete die Firma Reinisch daran (neuer Spieltisch). 1983–85 erfolgte durch Helmut Allgäuer eine Rekonstruktion der Blaschewitz-Orgel von 1736/37 (II/19). Als bedeutendster Regens chori und Komponist des Klosters gilt P. Benedikt Klima (ca. 1701–48), dessen Werke u. a. auch in Göttweig, Göss, Melk, Kremsmünster, Seitenstetten sowie in Mähren (der Heimat Klimas) verbreitet waren. Weitere Klosterkomponisten waren P. Josef Wenser (ca. 1683–1727), P. M. Singer (1709–73), P. Marianus Aigner (ca. 1665–1732), P. Robert Lang (ca. 1656–1730, 1707–28 Abt), P. Michael Klaus (ca. 1685–1754) und P. Constantin Gsur (1743–1811). Am 14.12.1793 erklang hier W. A. Mozarts Requiem zum ersten Mal in liturgischem Rahmen (F. v. Wallsegg). Seit 1784 zweite Wr. N.er Pfarre, besorgte 1784–1929 die Dommusik die Kirchenmusik in der Neuklosterkirche. 1929 wurde durch P. Wilhelm Klimmer ein eigener Neukloster-Kirchenchor gegründet, der seither unter der Leitung von Fritz Radel (1933–38 und 1941/42; auch Komponist), F. Heindl (1937/38), P. Bernhard Ulrich, P. Alois Gmoser, Alois Niemetz (1945–69) und Wa. Sengstschmid (seit 1970) stand und 1974 als Verein Stiftschor Neukloster Wr. N. reorganisiert wurde. 1988 wurde daneben der Jugendchor Cantus novus gegründet. Als Organisten an der Neuklosterkirche sind namentlich Leopold Leitgeb (1865–72, seit 1845 auch Domorganist), Josef Weissenbeck (1880–86), Josef Kreuz (1886), Franz Reiber (1886–88, auch Komponist) sowie Johann (1888–1900) und Hans (1900–60) Schlesinger nachweisbar.

Auch in den anderen Wr. N.er Kirchen etablierte sich im 20 Jh. eine eigene kirchenmusikalische Tradition, v. a. durch die Gründung von Kirchenchören. Aufgrund der zahlreichen Kirchen waren in Wr. N. im Laufe der Zeit außer den bereits genannten Orgelbauern mehrere weitere namhafte Vertreter dieses Handwerks in der Stadt beschäftigt: David Posselt errichtete 1766 eine Orgel für die St. Georgs-Kirche (II/14); Ch. Erler baute Orgeln für die St. Leopolds-Kirche (I/10, 1850; 1969/70 durch die Firma Krenn restauriert), die St. Georgs-Kirche (II/14, 1851) und die evangelische Kirche (I/11, 1852); die Orgelbauwerkstätte der Gebrüder Rieger lieferte Orgeln für die Kapuzinerkirche St. Jakob (II/11 [pneumatisch]), die evangelische Kirche (II/18 [pneumatisch], 1911; 1945 zerstört), die St. Georgs-Kirche (III/30, 1914 [pneumatisch]; 1945 zerstört) und die Erlöserkirche (II/7 [elektropneumatisch], 1938; 1992 durch einen Neubau [II/10] von Friedrich Heftner ersetzt); die Familie Kauffmann errichtete Orgeln in der St. Georgs-Kirche (II/23 [elektropneumatisch], 1952; 1993 von Franz Windtner instand gesetzt) und in der evangelischen Kirche (II/18 [elektropneumatisch], 1958; 1997 von Adolf Donabaum umgebaut [II/20]).

Eine Theaterpflege ist in Wr. N. bereits im 16 Jh. nachweisbar. 1530 erhielt Burckhart Kranner die Aufführungsgenehmigung für ein Fastnachtspiel, 1535 nennt eine Instruktion für den Schulmeister Leonhard Schwann die Aufführung eines Prophetenspiels in der Fastenzeit als eine Verpflichtung und 1551 bekam der Schullehrer Thomas Kienegker eine Spielerlaubnis für Faschingskomödien. Weitere Genehmigungen für die Aufführung von Komödien durch den Domkantor bzw. den Schulmeister wurden 1584 und 1589 erteilt. In diese Zeit fällt übrigens auch die Abhaltung von Schwerttänzen, die 1568–90 aktenkundig sind. 1666 ließen sich die Jesuiten in der Stadt nieder, die 1670–1770 zahlreiche Schulkomödien (Jesuitendrama) aufführten. Die Wr. N.er Burg war schon im 17. Jh. Schauplatz von Opern- und Ballettaufführungen, meistens im Rahmen von Hochzeiten oder anderen Festlichkeiten der Habsburger. So kam es hier z. B. 1678 zur UA der Opern La conquista del vello d’oro und Enea in Italia (beide M: A. Draghi, T: N. Minato), jeweils mit der großartigen Ausstattung von L. Burnacini. Bereits 1668 war das Sepolcro Il Lutto dell’ universo von Leopold I. nach einem Text F. Sbarras in Wr. N. uraufgeführt worden. Nachdem ab der Mitte des 18. Jh.s zahlreiche Wandertruppen (u. a. F. J. Moser [1751, 1759], Franz Lutz [1780/81], Johann Fridel [1785, 1787/88], E. Schikaneder [1784], F. Teyber [1785], Franz Diwald [1780–84, 1790/91], F. Zöllner [1783], Sophia Seipp [1793], F. J. Scherzer [1787], Georg Wilhelm [1786–88, 1792/93]) Opern in größeren Gasthäusern (wiederum unter Mitwirkung der lokalen Thurner, die auch den Rumpf des späteren Theaterorchesters stellten) dargeboten hatten, bekam Wr. N. 1793/94 durch den Umbau des aufgelösten Karmeliterinnenklosters ein eigenes Theater (Eröffnung am 23.10.1794), nachdem es bereits seit 1785 dementsprechende Bestrebungen (v. a. durch den Thurnermeister Joseph Trapp) gegeben hatte. Vom Repertoire dieses Hauses, das bis heute ein Mehrspartentheater ist, kann man sich erst ab der Wiedereröffnung am 15.10.1836 (nach dem großen Brand 1834) ein genaueres Bild machen. Die Stadtgemeinde gab es häufig wechselnden Direktoren in Pacht. Die zunächst nur spärlich erhaltenen Theaterzettel nennen v. a. Lustspiele, Possen und Dramen, z. T. jedoch mit Musik und Gesang. 1838 fanden mehrere Gesangs- und musikalische Akademien statt, langjähriger Kapellmeister des Stadttheaters war zu dieser Zeit August F. Krommer. In der Saison 1847/48 kam es erstmals zur Aufführung von Opern (z. B. Lucia di Lammermoor [Ga. Donizetti], I Puritani [Vincenzo Bellini]), ausschlaggebend hierfür waren Gastspiele des Ensembles des Ödenburger Theaters. Ab etwa 1870 ist ein z. T. beachtlicher Aufschwung des Theaters zu verzeichnen, u. a. bedingt durch die zeitweise Vereinigung mit dem Badener Stadttheater und der langjährigen Direktion von Heinrich Wiedemann (1891–1912). Das künstlerische Personal wuchs beständig, und auch der Repertoireumfang war beachtlich: So wurden etwa in der Saison 1899/1900 im Rahmen von 219 Vorstellungen nicht weniger als 119 verschiedene Stücke präsentiert; neben den auf musikalischem Sektor dominierenden Operetten (20–25 Stücke pro Saison) waren immer auch einige Opern am Spielplan (1908/09 sogar zwölf). Zu den im Repertoire immer wieder auftauchenden Stücken gehörten Werke von A. Lortzing, Die Zauberflöte (W. A. Mozart), Der Evangelimann (W. Kienzl), Hänsel und Gretel (Engelbert Humperdinck), Pagliacci/Der Bajazzo (R. Leoncavallo), Cavalleria rusticana (P. Mascagni); vereinzelt begegnet man aber auch G. Verdi oder Rich. Wagner, gelegentlich auch Stücken von lokalen Komponisten (Die Turmschwalbe von Karl Schaumann, Der Meister von Antwerpen von F. Krinninger, Elva von Eduard Schweiger). Wesentlich früher war Der Dorfbarbier des 1753 in Wr. N. geborenen J. B. Schenk insbesondere in Wien sehr erfolgreich gewesen (UA 1796 im Kärntnertortheater).

Der noch heute bestehende bürgerliche MGV Wr. N. wurde 1846 gegründet und ging aus einer bereits ein Jahr zuvor unter der Leitung von L. Plaimschauer bestandenen Gesellschaft für Männergesangübungen hervor (Männergesang, Männerchor). 1859 und 1946 kam es zu Neugründungen, in der 1. Hälfte des 20. Jh.s bestand auch ein Hausorchester. In der 2. Hälfte des 19. Jh.s gab es eine enge Zusammenarbeit mit der Musikkapelle des Wr. N.er Bürgerkorps, die ab 1906 offiziell als Stadtkapelle firmieren durfte. Als bedeutende Chormeister des MGV.s wären L. Plaimschauer, A. Huebmer, Jos. Strauß, Ferdinand Tritremmel, Carl Macher, Josef Czerny, Michael Bakos, Karl Pehm, Adolf Seiser, F. Radel (1922–45 und 1947–51), F. Heindl (1951–63), Wa. Sengstschmid (1969–74), Helmut Teufert (1985–89), A. Mülleder (1990/91) und Imre László zu nennen. Nach mehreren erfolglosen Versuchen seit 1825 kam es erst 1870/71 – also verhältnismäßig spät – zur Gründung des Wr. N.er Musikvereins , der zunächst eigentlich ein Dachverein des Dilettanten-Orchestervereins (gegr. 1869), des Singvereins (gegr. 1870) und des MGV.s Wr. N. war. Letzterer trat jedoch bereits 1872 wieder aus dem Verein aus, der Singverein folgte 1900, sodass der 1913 formell aufgelöste Musikverein bis zur Auflösung 1939 mit dem Orchesterverein identisch war. Der 1870–73 zeitweise in Wr. N. wohnende F. v. Flotow schrieb einige Gelegenheitskompositionen für den Musikverein. Die Konzerte des Vereins hatten bis etwa 1900 eher einen bunten Liedertafelcharakter, danach nahm die Tendenz zu größeren Werken zu (jährlich ein großes Oratorium, 1910 und 1930 L. v. Beethovens 9. Symphonie). Die Werke des Wr. N.ers J. M. Hauer wurden zunächst vom Musikverein, dessen Repertoire stark durch die Klassikerpflege bestimmt war, abgelehnt; erstmals waren sie öffentlich 1914 in einem Modernen Musikabend, zusammen mit Stücken von G. Mahler, Claude Debussy und A. Schönberg, zu hören. Als Dirigenten des Musikvereins fungierten Eduard Wedl (1871/72), August v. Pfusterschmid (1872–89 und 1891/92), Jos. Strauß (1889–91 und 1892–97), E. W. Chladek (1897–1905), J. Sukfüll (1905–16) und R. Rudolz (1916–39), wobei v. a. 1904–14 vermehrt auch auswärtige Dirigenten auftraten (z. B. H. Grädener). Neben dem Musikverein bestand 1919–29 ein durch Abspaltung entstandener Konzertverein (Leitung J. Sukfüll, F. Radel) sowie 1926–38 ein zunächst sozialdemokratisch ausgerichteter Orchesterverein, der 1934 in die Vaterländische Front integriert wurde. 1939 gingen Musikverein und Orchesterverein im neuen Verein Wr. N.er Symphonieorchester auf.

1871–1938 unterhielt der Musikverein eine MSch., zunächst nur für Violine und Gesang, später wurden auch andere Fächer gelehrt (Violoncello ab 1899, Blasinstrumente ab 1901, Klavier ab 1921, Allgemeine Musiklehre 1920/21). 1938 ging aus dieser und einigen Privatmusiklehranstalten die städtische MSch. hervor, die 1976 das Öffentlichkeitsrecht erlangte und 1977 in Josef Matthias Hauer-MSch. umbenannt wurde. 1988–2011 war der MSch. als höhere Ausbildungsstätte das Josef Matthias Hauer-Konservatorium angeschlossen, seit 2014 wird eine Kunstschule (Fotografie, Malerei, Schauspielerei) geführt. Zentral für die Musikerausbildung Niederösterreichs war auch die Wr. N.er Lehrerbildungsanstalt, in der v. a. in der 2. Hälfte des 19. Jh.s und in der Zwischenkriegszeit zahlreiche Lehrermusiker und -komponisten (darunter auch Hauer) ihre musikalische Grundausbildung erhielten. Die Zöglinge der Lehrerbildungsanstalt hospitierten übrigens bis 1906 im Wr. N.er Musikverein und besuchten auch dessen MSch.

Durch die zunehmende Bedeutung als Industriestadt im 19. Jh. spielte Wr. N. eine wichtige Rolle in den Anfängen der österreichischen Sozialdemokratie; dementsprechend umfangreich war das einschlägige Vereinsleben (Arbeiter-Musikbewegung): Neben einer Arbeiterbühne und einer bereits 1865 gegründeten Arbeitermusikkapelle existierten um 1910 nicht weniger als neun Arbeitergesangvereine (Frohsinn [gegr. 1867], Sängerchor des Arbeiterbildungsvereins [1871], Liederkranz [1891], Eisenbahner-Gesangverein „Liederkranz“ [1893, noch heute als Eisenbahner-Musik-Gesangverein „Flugrad“ bestehend], Gesangssektion der organisierten Arbeiterschaft [1895], Die Josefstädter [1899], Arbeiter-Turn- und Gesangverein „Vorwärts“ [1899], Eintracht [1900], Freiligrath [1903]); 1914 wurde der erste Arbeiter-Frauenchor gegründet. Nach Wiener Vorbild kam es überdies ab 1912, initiiert durch D. J. Bach und den lokalen sozialdemokratischen Funktionär und Mentor neuer Kunst, Viktor Dworcak, zur Durchführung von Arbeiter-Sinfoniekonzerten, die nach dem Ersten Weltkrieg durch den genannten neu gegründeten Wr. N.er Orchesterverein fortgesetzt wurden. In der Zwischenkriegszeit kam es zur Gründung weiterer Arbeitergesangvereine, 1925 ging aus der Fusionierung mehrerer solcher Chöre der heute noch bestehende Arbeitersängerbund Wr. N. hervor.

In jüngerer Zeit sind einerseits große eventhafte Ereignisse in Wr. N. bemerkenswert – so verzeichnete das Konzert von Pink Floyd 1994 am Flugfeld 80.000 Besucher, weiters wird seit 2004 das Rockfestival Aerodrome in der Arena nova abgehalten –, andererseits versuchen verschiedene Institutionen kontinuierliche Kulturarbeit zu leisten. Zu nennen sind diesbezüglich v. a. der Wr. N.er Kulturherbst (Kabarett, Kindermusical, Popgruppen) und der seit 1972 bestehende Wr. N.er Kreis (Autoren, Maler, Musiker). An Musikern und Komponisten mit Bezug zu Wr. N. sind weiters erwähnenswert: J. B. Staudt, P. A. Ivanschitz, Anton Karlhofer (1837–1903), H. Neckheim, Alois Gartner (1855–1909), H. Kaindl, J. G. Daninger, K. Wiesmann, O. Eberstaller, Ju. Herrmann, Hans Fellber (1892–1965), O. Kabasta, W. Waldstein, K. Mitterer, Ferdinand Blank (1901–60), Josef Pammer (1904–85), J. Berg, O. Schneider, Rudolf Terlicher (* 1928), H. Zagler, W. Schulze, Rudolf Ruschel (* 1956), R. M. Weiss, J. Hausl, Manfred Perger (* 1957), M. Salamon (* 1957), Johannes Winkler (* 1958), Franz Buchegger (* 1960), Hans Peter Gatterer (* 1960), Rudolf Pichler (* 1961), Karl Preiss (* 1964), Christian Zierhofer (* 1967).


Literatur
(Chronologisch:) J. Mayer, Gesch. von Wr. N., 4 Bde. 1924–26; H. Schuster, Theatergesch. von Wr. N. Von den Anfängen bis zum Jahre 1794, Diss. Wien 1959; A. Niemetz in Sancta Crux 28/2 (1966); O. J. M. Schmid, Das Musikleben Wr. N.s in neuerer Zeit, Hausarb. Wien 1968; O. G. Schindler in Jb. der Ges. f. Wr. Theaterforschung 17 (1970); A. Niemetz, 800 Jahre Musikpflege in Heiligenkreuz 1977, 119–127; G. Gerhartl, Wr. N. Gesch., Kunst, Kultur, Wirtschaft 1978; W. Sengstschmid in SK 27 (1979/80); I. Stückler, Der Wr. N.er Musikverein, Hausarb. Wien 1980; M. Trimmel, Studie zur Kirchenmusik in Wr. N. am Beispiel des Stiftschores Neukloster, Hausarb. Wien 1982; A. Artner, Theatergesch. von Wr. N. vom Jahre 1834 bis 1850, Diss. Wien 1983; H. Brenner, Stimmt an das Lied 1986; J. Trummer (Hg.), Kirchenchöre Österreichs 1987, Ausg. B, 220f; I. Siedl, Das Musikwesen in der Gesch. der bewaffneten Bürgerschaft von Wr. N. unter besonderer Berücksichtigung der diesbezüglichen Entwicklung des privilegierten uniformierten Bürgerkorps zu Wr. N., Dipl.arb. Wien 1987; [Fs.] Die tönende Seele im Dom zu Wr. N. 1989; M. Lechner, Das Wr. N.er Stadttheater 1860–1918, Diss. Wien 1991; Land der Chöre. Dokumentation über den Österr. Sängerbund 1991; E. Kalmus, Das Stadttheater Wr. N. in der Zwischenkriegszeit 1919–1932, Dipl.arb. 1993; [Fs.] 1846–1996. 150 Jahre Wr. N.er MGV 1996; M. Moschner/H. Teufert, Die Komponisten des Industrieviertels u. ihre Musik 1996; Erhart 1998; A. Holzer in H. Uhl (Hg.), Kultur – Urbanität – Moderne: Differenzierungen der Moderne in Zentraleuropa um 1900, 1999; Ch. Postel, Beiträge zur Gesch. des Orgelbaus in Wr. N., Dipl.arb. Wien 2002; G. Allmer in Das Orgelforum 21 (Dezember 2017); www.dompfarre-wienerneustadt.at (6/2006); www.neukloster.at (6/2006); www.flugrad.at (6/2006); www.kulturgericht.at (5/2022); eigene Recherchen.

Autor*innen
Andreas Holzer
Christian Fastl
Letzte inhaltliche Änderung
9.5.2022
Empfohlene Zitierweise
Andreas Holzer/Christian Fastl, Art. „Wiener Neustadt‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 9.5.2022, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e6d1
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001e6d1
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